
Costa-Ricas Textilkunst ist mehr als ein Souvenir; sie ist ein lebendiges Handwerk, dessen Überleben von informierter Wertschätzung abhängt.
- Die geringe Bekanntheit im Vergleich zu Guatemala liegt nicht an mangelnder Qualität, sondern an fehlenden Exportstrukturen und einer anderen wirtschaftlichen Ausrichtung.
- Authentische Stücke lassen sich durch handwerkliche Merkmale wie Haptik, leichte Asymmetrien und die Gestaltung der Rückseite klar von Massenware unterscheiden.
Empfehlung: Der beste Weg, die Tradition zu unterstützen, ist eine bewusste Entscheidung: Entweder der Kauf eines authentifizierten Stücks oder die Teilnahme an einem Workshop, um das Wissen direkt von den Kunsthandwerkerinnen zu erlernen.
Wenn wir an costa-ricanisches Kunsthandwerk denken, erscheinen uns sofort farbenfrohe „Diablito“-Masken oder die bemalten Ochsenkarren aus Sarchí vor dem inneren Auge. Doch abseits dieser bekannten Ikonen existiert eine reichhaltige, aber oft übersehene Welt: die der traditionellen Textilkunst. Viele Reisende, die auf der Suche nach authentischen Andenken sind, greifen zu farbenfrohen Decken oder Taschen, oft in dem Glauben, ein Stück lokaler Kultur zu erwerben. Sie vergleichen diese vielleicht mit den weltberühmten Textilien aus Guatemala und fragen sich, warum das costa-ricanische Angebot kleiner oder weniger präsent erscheint.
Die üblichen Reiseführer erwähnen zwar die Boruca-Weberei, bleiben aber meist an der Oberfläche. Sie raten zum Kauf, um die lokalen Gemeinschaften zu unterstützen, erklären aber selten die komplexen Zusammenhänge dahinter. Doch was, wenn der Schlüssel zum wahren Erhalt dieses Kulturerbes nicht nur im passiven Kauf liegt, sondern in einem tieferen, aktiven Verständnis? Was, wenn es darum geht, die Spreu vom Weizen zu trennen – also echte, handgewebte Kunst von digital bedruckten Souvenirs zu unterscheiden – und zu verstehen, welche Entscheidung die Tradition am nachhaltigsten fördert?
Dieser Artikel bricht mit der oberflächlichen Betrachtung. Als Textilkünstlerin, die das Privileg hatte, in Costa Rica von lokalen Meisterinnen zu lernen, führe ich Sie hinter die Kulissen. Wir werden nicht nur die faszinierenden Techniken der Naturfärbung erkunden, sondern auch das Dilemma zwischen dem Kauf eines fertigen Produkts und dem Besuch eines Workshops beleuchten. Ziel ist es, Ihnen das Wissen an die Hand zu geben, um eine informierte und wertschätzende Entscheidung zu treffen, die dieses kostbare und fragile Kulturerbe wirklich am Leben erhält.
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Um Ihnen eine klare Orientierung zu geben, gliedert sich dieser Leitfaden in präzise Fragestellungen. Der folgende Überblick zeigt Ihnen die Themen, die wir Schritt für Schritt beleuchten werden, um Ihr Verständnis für die costa-ricanische Textilkunst zu vertiefen.
Sommaire : Einblicke in die traditionelle Textilherstellung Costa Ricas
- Warum ist costa-ricanische Textilkunst international 80% weniger bekannt als guatemaltekische?
- Wie werden in 5 traditionellen Techniken Naturfarbstoffe aus lokalen Pflanzen gewonnen?
- Textilworkshop besuchen oder fertiges Produkt kaufen: Was erhält Traditionen besser?
- Wie erkennen Sie, ob Textilmuster noch traditionell gewebt oder digital gedruckt sind?
- Welche Regionen bieten wann authentische Webworkshops mit traditionellen Kunsthandwerkerinnen?
- Guanacaste oder Limón: Welche Region schützt ihr kulturelles Erbe erfolgreicher?
- Welche 7 Motive dominieren costa-ricanische Holzschnitzerei und was symbolisieren sie?
- Filigrane Holzschnitzereien: Regionale Holzarten und traditionelle Schnitzkunst
Warum ist costa-ricanische Textilkunst international 80% weniger bekannt als guatemaltekische?
Die geringere internationale Präsenz costa-ricanischer Textilien ist kein Indikator für mindere Qualität oder weniger kulturelle Tiefe, sondern das Ergebnis fundamental unterschiedlicher historischer und ökonomischer Entwicklungen. Der Hauptgrund liegt in der ökonomischen Unsichtbarkeit des Sektors. Während in Guatemala der Textilsektor eine tragende Säule der Wirtschaft darstellt, ist seine Bedeutung in Costa Rica marginal. Eine Analyse der Kampagne für Saubere Kleidung zeigt, dass in Guatemala 8,9% des BIP durch Textilien erwirtschaftet werden, während dieser Anteil in Costa Rica unter 2% liegt. Dieser massive Unterschied spiegelt sich in der gesamten Infrastruktur wider.
Guatemala verfügt über seit Jahrzehnten etablierte Exportkanäle und starke Fair-Trade-Netzwerke wie Mayan Hands, die seit über 30 Jahren gezielt Kooperativen von Maya-Weberinnen mit dem internationalen Markt verbinden. Diese Organisationen haben nicht nur Vertriebswege geschaffen, sondern auch eine globale Erzählung rund um die Maya-Kultur und ihre Webkunst aufgebaut. Die Textilherstellung ist dort tief in der Identität und als primäre Einnahmequelle vieler ländlicher Gemeinschaften verankert.
In Costa Rica hingegen konzentriert sich die Vermarktung des Kunsthandwerks, einschließlich der Textilien, fast ausschließlich auf den lokalen Tourismusmarkt. Es fehlen große, international agierende Kooperativen oder staatliche Förderprogramme, die den Export gezielt vorantreiben. Die Kunst der Boruca, Bribri oder Cabécar wird primär innerhalb des Landes an Besucher verkauft. Diese Abhängigkeit vom Tourismus macht das Handwerk fragil und verhindert den Aufbau einer globalen Marke, wie sie die guatemaltekische Webkunst genießt.
Wie werden in 5 traditionellen Techniken Naturfarbstoffe aus lokalen Pflanzen gewonnen?
Die Seele der costa-ricanischen Textilkunst liegt in ihren Farben, die direkt aus der reichen Biodiversität des Landes gewonnen werden. Die Kunsthandwerkerinnen, insbesondere die der Boruca, sind Meisterinnen der Naturfärberei und nutzen seit Generationen überliefertes Wissen. Der Prozess ist aufwendig und tief mit den Zyklen der Natur verbunden. Eine der faszinierendsten Techniken ist die Gewinnung von Purpur. Anders als oft vermutet, wird die Meeresschnecke (Plicopurpura pansa) nicht getötet. Stattdessen wird sie bei bestimmten Mondphasen an der Pazifikküste gesammelt und vorsichtig „gemolken“, indem man auf ihre Schalenöffnung bläst, woraufhin sie ein milchiges Sekret abgibt. Dieses wird direkt auf das Baumwollgarn aufgetragen und färbt sich an der Sonne zu einem leuchtenden, extrem waschechten Purpur.
Dieser Prozess steht im Kontrast zur Gewinnung anderer Farbtöne. Für ein erdiges Braun werden beispielsweise die Blätter des Teakbaums gesammelt und stundenlang in großen Töpfen über dem offenen Feuer gekocht. Leuchtendes Orange-Rot entsteht aus den Samen des Annatto-Strauchs (Achiote), die eingeweicht und mit einem Beizmittel wie Alaun fixiert werden müssen, um ihre Farbe zu entfalten. Ein tiefes Schwarz, das oft für die Konturen der Motive verwendet wird, wird aus der Rinde des Carbonero-Baums gewonnen und mit Eisensulfat fixiert.

Die unterschiedlichen Quellen und Methoden erfordern ein immenses Wissen über Botanik, Chemie und die richtigen Erntezeitpunkte. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die wichtigsten natürlichen Färbemittel, die von den Boruca verwendet werden, und ihre Eigenschaften.
| Pflanze/Quelle | Resultierende Farbe | Beizmittel | Farbechtheit |
|---|---|---|---|
| Murex-Schnecke | Purpur | Keines nötig | Exzellent |
| Teakblätter | Braun | Eisenoxid | Gut |
| Annatto | Orange-Rot | Alaun | Mittel |
| Indigo | Blau | Fermentation | Sehr gut |
| Carbonero-Rinde | Schwarz | Eisensulfat | Gut |
Textilworkshop besuchen oder fertiges Produkt kaufen: Was erhält Traditionen besser?
Diese Frage stellt Reisende vor ein echtes Kulturerhalt-Dilemma. Beide Optionen haben positive Effekte, wirken aber auf unterschiedlichen Ebenen. Der direkte Kauf eines handgewebten Stücks – vorausgesetzt, es ist authentisch – bietet der Kunsthandwerkerin ein sofortiges und direktes Einkommen. Dies ist in Gemeinschaften wie den Boruca, wo laut Berichten von Organisationen wie SoulGives Company rund 80% der Bevölkerung vom Kunsthandwerk leben, von existenzieller Bedeutung. Der Verkauf sichert die unmittelbare Lebensgrundlage und ermöglicht den Kauf von Materialien für die nächste Arbeit. Es ist eine direkte finanzielle Transaktion, die das Handwerk als wirtschaftliche Tätigkeit validiert.
Der Besuch eines Workshops hingegen geht über die rein finanzielle Unterstützung hinaus. Er initiiert einen Wissens-Transfer. Wenn Sie als Besucher Zeit investieren, um die Grundlagen des Spinnens, Färbens und Webens zu erlernen, passiert etwas Entscheidendes: Sie entwickeln eine tiefere Wertschätzung für den immensen Aufwand, die Geduld und das Können, das in jedem einzelnen Stück steckt. Diese Erfahrung transformiert Ihre Wahrnehmung von einem einfachen „Souvenir“ zu einem Kunstwerk. Sie werden zum Botschafter der Tradition, der die Geschichte und den Wert des Handwerks weitererzählen kann. Ökonomisch gesehen schafft ein Workshop ebenfalls Einkommen, oft sogar über mehrere Tage verteilt, und diversifiziert die Einnahmequellen der Gemeinschaft.
Letztendlich gibt es keine pauschal richtige Antwort. Der Kauf eines hochwertigen, teureren Stücks kann finanziell ebenso wertvoll sein wie die Gebühr für einen mehrtägigen Workshop. Die nachhaltigste Wirkung wird jedoch durch eine Kombination aus beidem erzielt. Ideal ist es, einen Workshop zu besuchen und am Ende ein Stück zu erwerben – entweder das eigene oder eines der Meisterin. So kombiniert man den direkten ökonomischen Impuls mit dem unschätzbaren Wert des erlebten und weitergetragenen Wissens. Die Entscheidung hängt von Ihrer Zeit und Ihrem Interesse ab, aber jede Form der bewussten Auseinandersetzung ist besser als der unreflektierte Kauf billiger Imitate.
Wie erkennen Sie, ob Textilmuster noch traditionell gewebt oder digital gedruckt sind?
In den touristischen Zentren Costa Ricas findet man eine Fülle von Textilien mit traditionell anmutenden Mustern. Viele davon sind jedoch günstig hergestellte, digital bedruckte Stoffe aus Asien. Die Fähigkeit, materielle Authentizität zu erkennen, ist daher entscheidend, um echte Handwerkskunst zu unterstützen. Glücklicherweise gibt es mehrere verlässliche Merkmale, die auch ein Laie mit etwas Übung identifizieren kann.
Der erste und wichtigste Schritt ist der Haptik-Test. Fahren Sie mit den Fingern über das Muster. Ein echtes, gewebtes Muster hat eine spürbare, dreidimensionale Struktur. Die farbigen Fäden liegen auf oder sind in den Grundstoff eingearbeitet, was ein leichtes Relief erzeugt. Ein Druck hingegen fühlt sich flach und glatt an; die Farbe ist lediglich auf die Oberfläche des Stoffes aufgetragen. Ein weiteres untrügliches Zeichen ist die Perfektion. Handarbeit ist niemals zu 100% symmetrisch. Suchen Sie nach winzigen Unregelmäßigkeiten im Muster, leichten Variationen in der Fadenspannung oder subtilen Farbunterschieden im Garn selbst (genannt „Abrash“ bei Naturfärbungen). Diese „Fehler“ sind in Wahrheit die Signatur der menschlichen Hand.
Ein entscheidender Hinweis ist der Blick auf die Rückseite. Bei einem gewebten Stoff ist das Muster auf der Rückseite als Negativbild sichtbar, oder man erkennt die losen Enden der Musterfäden (sogenannte „Floats“). Bei einem Druck ist die Rückseite meist blass oder komplett weiß. Ein weiteres Merkmal der authentischen Boruca-Webkunst ist die Breite des Stoffes. Die traditionellen Rückengurt-Webstühle können nur Stoffbahnen von etwa 45 bis 55 cm Breite produzieren. Größere Stücke wie Decken oder Tischläufer bestehen daher immer aus mehreren sorgfältig zusammengenähten Bahnen – ein klares Authentizitätsmerkmal.
Checkliste zur Echtheitsprüfung: Gewebt vs. Gedruckt
- Haptik-Test: Fühlen Sie das Relief. Echte Webware hat eine spürbare, dreidimensionale Struktur, während Druck flach ist.
- Symmetrie-Prüfung: Suchen Sie nach kleinen Unregelmäßigkeiten. Handarbeit ist nie perfekt symmetrisch; diese kleinen Abweichungen sind ein Qualitätsmerkmal.
- Rückseiten-Check: Prüfen Sie die Kehrseite. Ein gewebtes Muster zeigt ein Negativbild oder sichtbare Fäden, ein Druck ist blass oder weiß.
- Farbvariationen: Achten Sie auf subtile Farbunterschiede im Garn (Abrash). Diese entstehen bei der Naturfärbung und sind ein Zeichen für Handarbeit.
- Preis-Indikator: Seien Sie realistisch. Ein handgewebtes Stück benötigt Tage oder Wochen. Ein Preis von unter 50 Euro für eine größere Arbeit ist meist unrealistisch.
Welche Regionen bieten wann authentische Webworkshops mit traditionellen Kunsthandwerkerinnen?
Wer tiefer in die Welt der costa-ricanischen Textilien eintauchen möchte, findet in mehreren Regionen des Landes die Möglichkeit, direkt von den Kunsthandwerkerinnen zu lernen. Die authentischsten Erlebnisse bieten sich abseits der großen Touristenzentren, direkt in den indigenen Gemeinschaften. Die mit Abstand bekannteste Region für Webworkshops ist das Territorium der Boruca im südlichen Pazifikraum. Die beste Zeit für einen Besuch ist die Trockenzeit von Dezember bis April, da die Wege dann besser passierbar sind.
In Boruca und dem benachbarten Rey Curré haben sich mehrere Frauenkooperativen gebildet, die Workshops im traditionellen Rückengurt-Weben und in der Naturfärbung anbieten. Die Kommunikation findet meist auf Spanisch statt, aber die Sprache der Hände ist universell. Eine besondere Gelegenheit bietet sich im Januar, wenn in Rey Curré das „Fiesta de los Diablitos“ stattfindet und die Kultur besonders lebendig wird. Eine weitere, weniger bekannte, aber ebenso faszinierende Region ist Talamanca an der Karibikküste, die Heimat der Bribri und Cabécar. Hier liegt der Fokus oft stärker auf der komplexen Kunst der Naturfärbung mit Pflanzen des Regenwaldes.

Fallbeispiel: Die Kooperative Sô Cagrú in Boruca
Ein hervorragendes Beispiel für authentischen Kulturtourismus ist die von zwölf Frauen gegründete Kunsthandwerkergruppe Sô Cagrú in der Gemeinde Boruca. Sie bieten nicht nur Tagesworkshops, sondern auch Übernachtungsmöglichkeiten und traditionelle Mahlzeiten an, was einen tiefen Einblick in den Alltag und die Kultur ermöglicht. Solche Initiativen garantieren, dass das Geld direkt bei den Familien ankommt und der Wissensaustausch im Vordergrund steht. Der Kontakt kann oft über lokale Tourismusbüros in San José oder direkt hergestellt werden, wie eine Reportage des Tico Times bereits vor Jahren hervorhob.
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die wichtigsten Regionen und was sie zu bieten haben, um Ihnen bei der Planung zu helfen.
| Region | Beste Reisezeit | Workshop-Kosten | Sprache | Spezialität |
|---|---|---|---|---|
| Boruca | Dezember-April | $50-80 pro Tag | Spanisch | Rückengurt-Weben |
| Rey Curré | Januar (Festival) | $40-60 pro Tag | Spanisch | Maskenschnitzerei & Textil |
| Talamanca | Februar-März | $30-50 pro Tag | Spanisch/Bribri | Naturfärbung |
| Sarchí | Ganzjährig | $25-40 pro Tag | Englisch/Spanisch | Ochsenkarren-Motive |
Guanacaste oder Limón: Welche Region schützt ihr kulturelles Erbe erfolgreicher?
Der Schutz des kulturellen Erbes manifestiert sich in Costa Rica auf sehr unterschiedliche Weise, wie der Vergleich zwischen der Pazifikprovinz Guanacaste und der Karibikprovinz Limón eindrücklich zeigt. Beide Regionen haben eine starke, eigenständige kulturelle Identität, doch ihre Strategien zum Erhalt sind fundamental verschieden. Guanacaste, bekannt für seine Sabanero-Kultur (die costa-ricanische Version des Cowboys), setzt stark auf eine folkloristische Präsentation für den Tourismus. Traditionen wie die typische Musik, die Tänze und die farbenfrohe Kleidung werden in Hotels, bei Festen und in kulturellen Zentren aufgeführt. Der Schutz ist hier oft eine inszenierte Bewahrung, die darauf abzielt, ein attraktives und leicht konsumierbares Bild der Kultur für Besucher zu schaffen. Dies ist wirtschaftlich erfolgreich, birgt aber die Gefahr, dass die Traditionen ihre ursprüngliche Alltagsfunktion verlieren und zu reinen Show-Elementen werden.
Im Gegensatz dazu verfolgt Limón, das Herz der afro-karibischen Kultur Costa Ricas, einen Weg der gelebten und aktiven Bewahrung. Hier ist das kulturelle Erbe kein separates Ereignis, sondern tief im Alltag der Menschen verwurzelt. Ein starkes Beispiel ist die Kleidung. Frauen tragen stolz ihre bodenlangen Kleider mit komplexen afrikanischen Mustern und kunstvoll gebundene Kopfwickel, nicht nur zu besonderen Anlässen, sondern als Ausdruck ihrer Identität. Feste wie der „Día de la Cultura Afrocostarricense“ sind keine reinen Touristenattraktionen, sondern primär Feiern der Gemeinschaft für die Gemeinschaft. Der Schutz erfolgt hier von innen heraus, durch die kontinuierliche Praxis und Weitergabe von Sprache (Patois), Musik (Calypso), Kulinarik und eben auch textilen Traditionen.
Man kann argumentieren, dass Limóns Ansatz nachhaltiger ist, da die Kultur ihre Authentizität und Relevanz für die lokale Bevölkerung behält. Guanacastes Modell ist zwar wirtschaftlich erfolgreich, läuft aber Gefahr, die Seele seiner Traditionen zu kommerzialisieren. Erfolgreicher Schutz bedeutet also nicht nur, die Vergangenheit zu konservieren, sondern sie für die Gegenwart und Zukunft relevant zu halten – ein Spagat, der in Limón authentischer zu gelingen scheint.
Welche 7 Motive dominieren costa-ricanische Holzschnitzerei und was symbolisieren sie?
Die Kunst, Masken zu schaffen, beginnt, wenn ein Baum im Wald geboren wird. Dieser Baum flüstert dem Handwerker die Inspiration zu, wie die Maske zu gestalten ist.
– Edixon Mora, Indigener Künstler aus Rey Curré
Obwohl dieser Leitfaden sich auf Textilien konzentriert, sind die Motive oft universell und finden sich auch in der berühmten Holzschnitzkunst der Boruca wieder. Das Verständnis dieser Symbole ist der Schlüssel zum Lesen der visuellen Sprache Costa Ricas. Die Designs sind keine zufälligen Dekorationen; sie sind tief in der Kosmologie, der Natur und der Geschichte des indigenen Volkes verwurzelt. Sie erzählen Geschichten von der Schöpfung, dem Widerstand und der heiligen Verbindung zu allen Lebewesen. Sieben Motive sind dabei besonders dominant und tauchen sowohl auf geschnitzten Masken als auch auf gewebten Stoffen immer wieder auf.
Das wohl bekannteste Motiv ist die „Diablito“-Maske. Sie symbolisiert nicht etwa das Böse, sondern den indigenen Widerstand gegen die spanischen Eroberer, die die Ureinwohner als „Teufel“ ansahen. Die Masken repräsentieren die Kraft und den Geist der Natur, der die Invasoren letztlich vertrieb. Tiere spielen eine zentrale Rolle in der Symbolik. Der Frosch (Rana) steht für Fruchtbarkeit und die lebenswichtige Verbindung zum Wasser, während der farbenprächtige Tukan als Bote zwischen Himmel und Erde gilt. Seine Anwesenheit wird als gutes Omen gesehen. Der Jaguar, das mächtigste Raubtier des Dschungels, verkörpert Stärke, Führung und spirituelle Macht.
Weitere wichtige Symbole sind das Faultier, das für Geduld, Harmonie und ein Leben im Einklang mit der Natur steht, und der leuchtend blaue Morpho-Schmetterling, ein Symbol für Transformation, Schönheit und die Seele der Ahnen. Schließlich ist der seltene Quetzal, obwohl er eher mit den Hochlandregionen verbunden ist, ein Symbol für Freiheit und das Göttliche. Diese Motive sind das visuelle Alphabet einer ganzen Kultur.
- Diablito-Masken: Symbol des Widerstands gegen die spanischen Eroberer und die Kraft der Natur.
- Frosch (Rana): Steht für Fruchtbarkeit, Regen und die Verbindung zum lebensspendenden Wasser.
- Tukan: Gilt als Bote zwischen den Welten, als Verbindung zwischen Himmel und Erde.
- Faultier: Symbolisiert Geduld, Ruhe und ein Leben in Harmonie mit der Natur.
- Jaguar: Verkörpert Stärke, Mut, Führung und spirituelle Macht.
- Morpho-Schmetterling: Steht für Transformation, Schönheit und die Seelen der Vorfahren.
- Quetzal: Symbolisiert Freiheit, Erhabenheit und eine Verbindung zum Göttlichen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die geringe Bekanntheit costa-ricanischer Textilien ist ein ökonomisches, kein qualitatives Problem.
- Authentizität lässt sich durch praktische Tests (Haptik, Rückseite, Symmetrie) zuverlässig erkennen.
- Die Unterstützung des Handwerks erfolgt am besten durch eine bewusste Entscheidung zwischen dem Kauf eines authentischen Produkts und der Teilnahme an einem Workshop.
Filigrane Holzschnitzereien: Regionale Holzarten und traditionelle Schnitzkunst
Neben der Weberei ist die Holzschnitzerei die zweite große Säule des costa-ricanischen Kunsthandwerks. Die Wahl des Holzes ist dabei ebenso entscheidend wie das Motiv selbst und variiert stark je nach Region und Verwendungszweck. Die Kunsthandwerker besitzen ein tiefes Wissen über die Eigenschaften der lokalen Hölzer – ihre Härte, ihre Maserung und ihre Eignung für bestimmte Arbeiten. Für die berühmten Boruca-Masken wird beispielsweise fast ausschließlich Balsaholz verwendet. Es ist extrem leicht und weich, was die detaillierte und oft schnelle Bearbeitung mit dem Messer erleichtert. Die Leichtigkeit ist zudem entscheidend, da die Masken beim „Fiesta de los Diablitos“ über Stunden getragen werden.
Im zentralen Tal, insbesondere in Sarchí, dem Zentrum der Ochsenkarren-Herstellung, dominiert hingegen Zedernholz. Es ist von mittlerer Härte, lässt sich gut bearbeiten und verströmt einen angenehmen Duft. Für besonders edle und detaillierte Figuren, die oft in den Galerien von Guanacaste zu finden sind, greifen Künstler gerne auf Mahagoni zurück. Sein hartes, rötlich-braunes Holz ermöglicht feine Details und eine glänzende Politur. In der Talamanca-Region wird für spirituelle Figuren oft das extrem harte und dunkle Holz des Ron-Ron-Baumes bevorzugt.
Die Chaverri Fabrik in Sarchí, die seit 1903 existiert, ist ein Beispiel für die kommerzialisierte, aber dennoch traditionelle Holzkunst. Dort können Besucher den Künstlern bei der Bemalung der Ochsenkarren zusehen, finden aber auch eine breite Palette an Holzfiguren aus verschiedenen Edelhölzern. Dies zeigt die Bandbreite der Schnitzkunst – von den spirituell aufgeladenen Masken der Boruca bis hin zu den dekorativen und funktionalen Objekten aus Sarchí. Die Wahl des Holzes ist dabei immer der erste, entscheidende Schritt im kreativen Prozess.
| Holzart | Region | Eigenschaften | Verwendung |
|---|---|---|---|
| Balsa | Boruca/Pacífico Sur | Sehr leicht, weich | Diablito-Masken |
| Zeder | Sarchí/Valle Central | Duftend, mittlere Härte | Ochsenkarren, Möbel |
| Mahagoni | Guanacaste | Hart, rotbraun | Edle Schnitzereien |
| Ron-Ron | Talamanca | Sehr hart, dunkel | Detaillierte Figuren |
Jetzt, da Sie mit dem Wissen über Techniken, Materialien und kulturelle Hintergründe ausgestattet sind, beginnt Ihre eigentliche Reise. Der nächste Schritt ist, diese Erkenntnisse anzuwenden – sei es bei Ihrem nächsten Besuch auf einem lokalen Markt oder bei der Planung einer Reise, die Sie direkt zu den Quellen dieses faszinierenden Handwerks führt.