Veröffentlicht am März 12, 2024

Entgegen der Annahme, die costa-ricanische Küche sei schlichtweg einfach, offenbart eine tiefere Analyse das genaue Gegenteil: Ihre bewusste Genügsamkeit ist kein Mangel an Komplexität, sondern ein starkes kulturelles Statement. Diese Küche ist eine kulinarische Landkarte, die von indigenem Erbe, spanischen Kolonialeinflüssen und karibischer Resilienz erzählt. Anstatt nach feuriger Würze zu suchen, entschlüsseln wir hier die Aromen-Archäologie eines Landes, dessen Identität man schmecken kann.

Wenn deutsche Kulinarhistoriker und Food-Enthusiasten an Zentralamerika denken, erscheinen oft Bilder von komplexen Moles aus Mexiko oder würzig-scharfen Gerichten aus der Karibik. Costa Rica scheint in diesem Kontext eine fast schon irritierende Ausnahme zu sein. Die landestypische Küche wird oft als „einfach“, „mild“ oder „nicht sehr gewagt“ beschrieben. Man liest von Gallo Pinto und Casado und gewinnt schnell den Eindruck, es handle sich um eine repetitive Kost ohne tiefere Raffinesse. Doch diese oberflächliche Betrachtung verkennt den Kern der Sache.

Die scheinbare Simplizität ist in Wahrheit ein faszinierendes Dokument der Geschichte und ein Ausdruck der nationalen Identität des „Pura Vida“. Sie ist eine Form der kulinarischen Genügsamkeit, die sich bewusst von den opulenten Küchen der Nachbarländer abgrenzt. Als Kulinaranthropologin lade ich Sie ein, diese Küche nicht als Mangel, sondern als Code zu lesen. Jeder Bissen erzählt eine Geschichte von indigenen Völkern, die den Wert von Mais und Yucca kannten, von spanischen Siedlern, die ihre Eintopf-Traditionen mitbrachten, und von afrokaribischen Einwanderern, die die Süße der Kokosnuss und den Duft von Thymian an die Küste trugen.

Dieser Artikel ist eine Expedition in die Aromen-Archäologie Costa Ricas. Wir werden die fundamentalen Zutaten freilegen, die geografischen Gaumen der Pazifik- und Karibikküste kartieren und lernen, wie man echte Tradition von touristischer Fassade unterscheidet. Am Ende werden Sie verstehen, warum ein Teller Gallo Pinto weit mehr ist als nur Reis und Bohnen – er ist ein essbares Symbol für die komplexe und doch harmonische Identität einer ganzen Nation.

Um die kulinarische DNA Costa Ricas Schicht für Schicht zu entschlüsseln, folgt dieser Artikel einer logischen Struktur. Jeder Abschnitt baut auf dem vorherigen auf, von der philosophischen Grundlage der Küche bis hin zu ihren konkretesten regionalen Ausprägungen.

Warum ist costa-ricanische Küche bewusst einfach, während Nachbarländer Komplexität feiern?

Die costa-ricanische Küche, bekannt als „comida típica“, zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Zurückhaltung aus. Während die kulinarischen Traditionen Mexikos oder Perus durch komplexe Saucen und intensive Gewürze geprägt sind, verfolgt Costa Rica einen anderen Pfad. Hier ist die Einfachheit kein Mangel, sondern ein Prinzip. Der Fokus liegt auf der Qualität und Frische der Grundzutaten, nicht auf deren Überdeckung durch dominante Aromen. Wie Reiseexperten treffend feststellen, sind die Gerichte weder scharf noch pikant und somit für einen breiten Gaumen zugänglich. Diese Milde ist tief in der Agrargeschichte des Landes verwurzelt, in der die Selbstversorgung mit lokal angebauten Produkten wie Reis, Bohnen, Gemüse und Früchten im Vordergrund stand.

Diese kulinarische Genügsamkeit wird besonders in den sogenannten „Sodas“ zelebriert. Diese kleinen, familiengeführten Restaurants sind die wahren Hüter der traditionellen Küche. Sie fungieren als eine Art kulturelles Bollwerk gegen die Globalisierung der Geschmäcker. In einer Soda zu essen bedeutet, eine authentische, hausgemachte Mahlzeit zu genießen, die oft nach „receta de la abuela“ (Omas Rezept) zubereitet wird. Das Casado, ein Teller mit Reis, Bohnen, Salat, Kochbananen und einer Proteinquelle (Fleisch oder Fisch), ist das Paradebeispiel für dieses Konzept: ein ausgewogenes, nahrhaftes und unprätentiöses Gericht, das die Seele der Nation widerspiegelt.

Die historische Entwicklung spielte ebenfalls eine Rolle. Costa Rica war im spanischen Kolonialreich eine relativ arme und isolierte Provinz. Es fehlten die Reichtümer und die aristokratische Oberschicht, die in anderen Kolonien zu einer aufwendigeren Hofküche führten. Stattdessen entwickelte sich eine egalitäre, bäuerliche Esskultur, die bis heute nachwirkt. Die Einfachheit ist somit auch ein Symbol für Bescheidenheit und den Stolz auf das, was das eigene Land hervorbringt – ein direktes Spiegelbild des „Pura Vida“-Lebensgefühls.

Welche 5 Zutaten verraten die indigenen Ursprünge costa-ricanischer Gerichte?

Lange vor der Ankunft der Spanier hatten die indigenen Völker Costa Ricas – wie die Bribri, Cabécar und Boruca – eine hochentwickelte Agrarkultur. Ihre Grundnahrungsmittel bilden bis heute das unerschütterliche Fundament der „comida típica“. Eine Aromen-Archäologie der costa-ricanischen Küche beginnt unweigerlich mit diesen fünf kulturellen Geschmacksträgern, die den indigenen Ursprung eines Gerichts verraten.

Erstens, der Mais (Maíz). Er ist die heiligste aller Zutaten und die Basis für unzählige Zubereitungen, von einfachen Tortillas über den Maisteig für Tamales bis hin zu Getränken wie „Agua Dulce“. Zweitens, die Yucca (Maniok), eine stärkehaltige Wurzel, die in Eintöpfen wie „Olla de Carne“ für Substanz sorgt oder frittiert als Beilage dient. Drittens, der Chayote, ein mildes, birnenförmiges Kürbisgewächs, das gedünstet oder in Eintöpfen eine wichtige Gemüsekomponente darstellt. Viertens, die Pejibaye, die Frucht der Pfirsichpalme. Gekocht und mit Mayonnaise serviert, ist sie ein nahrhafter Snack und galt bei den Indigenen als Symbol für Wohlstand. Fünftens, der Kakao (Cacao). Vor der Kolonialisierung wurde er nicht als Süßigkeit, sondern als zeremonielles, ungesüßtes und oft mit Chili gewürztes Getränk konsumiert.

Diese Zutaten sind mehr als nur Nahrung; sie sind lebendiges Erbe. Wenn Sie heute in Costa Rica ein Gericht essen, das eine dieser Komponenten prominent hervorhebt, schmecken Sie ein Echo der präkolumbianischen Vergangenheit des Landes.

Makroaufnahme indigener Zutaten der costa-ricanischen Küche, darunter Kakao, Mais und Yucca.

Die visuelle und haptische Vielfalt dieser Zutaten – von der faserigen Textur der Yucca bis zu den glänzenden Kernen des Mais – erzählt von einer tiefen Verbindung zum Land und seinen Zyklen. Sie sind die Konstanten in einem ansonsten von Migration und Wandel geprägten kulinarischen Mosaik.

Pazifik- oder Karibikküche: Wie unterscheiden sich traditionelle Gerichte der beiden Küsten?

Costa Rica mag ein kleines Land sein, doch seine beiden Küsten sind kulinarisch durch Welten getrennt. Hier manifestiert sich der „geografische Gaumen“ des Landes am deutlichsten. Die Trennlinie ist nicht nur geografisch, sondern vor allem kulturell: Auf der einen Seite die hispanisch geprägte Pazifikküste, auf der anderen die afrokaribisch beeinflusste Karibikküste.

An der Pazifikküste dominiert eine Küche, die auf spanischen und indigenen Traditionen fußt. Die Aromen sind frisch, einfach und basieren auf Koriander, Zwiebeln, Paprika und Limettensaft. Das Aushängeschild dieser Region ist das „Ceviche Tico“, bei dem Fisch in Limettensaft gegart und mit fein gehacktem Gemüse serviert wird – eine deutlich mildere Variante als in Peru. Als Grundnahrungsmittel werden hier fast ausschließlich schwarze Bohnen verwendet.

Die Karibikküste, insbesondere die Region um Limón, ist das Ergebnis der Einwanderung jamaikanischer Arbeiter im 19. Jahrhundert. Ihre Küche ist eine Explosion von Aromen, die in der restlichen Landesküche unbekannt sind. Die heilige Dreifaltigkeit der Zutaten besteht hier aus Kokosmilch, Ingwer und Chili Panameño. Das berühmteste Gericht ist „Rice and Beans“, bei dem Reis und rote Bohnen gemeinsam in Kokosmilch gekocht werden, was ihm eine cremige Konsistenz und eine subtile Süße verleiht. Oft wird es mit würzigem Hühnchen in Kokossauce („Pollo Caribeño“) serviert.

Diese kulinarische Spaltung ist ein direktes Ergebnis der Geschichte und Geografie, wie die folgende vergleichende Analyse zeigt, die auf traditionellen Rezepten und kulturellen Einflüssen basiert.

Vergleich: Pazifik- vs. Karibikküche Costa Ricas
Aspekt Pazifikküste Karibikküste
Hauptaromen Frisch und einfach: Koriander, Zwiebel, Limette Würzig und süß: Kokosnuss, Thymian, Ingwer
Typisches Gericht Ceviche Tico (mild) Rice and Beans mit Kokosmilch
Kultureller Einfluss Spanisch-indigene Tradition Jamaikanische Einflüsse
Bohnenart Schwarze Bohnen Rote Bohnen

Wie erkennen Sie in der Speisekarte echte Tradition versus moderne Fusion-Interpretation?

Für den kulinarischen Historiker auf Reisen ist die Fähigkeit, Authentizität zu erkennen, von unschätzbarem Wert. In Costa Rica, wo der Tourismus boomt, verschwimmt die Grenze zwischen echter „comida típica“ und für Touristen adaptierter Fusionsküche zusehends. Doch es gibt klare Indikatoren, die Ihnen helfen, wie ein Einheimischer zu bestellen und die wahren Geschmacksträger der Kultur zu finden.

Der erste und wichtigste Anhaltspunkt ist der Ort selbst: Die bereits erwähnten „Sodas“ sind fast immer eine Garantie für Authentizität. Hier kocht die Familie, und die Rezepte wurden über Generationen weitergegeben. Auf der Speisekarte sollten Sie nach bestimmten Schlüsselwörtern Ausschau halten. Der Begriff „Casero“ bedeutet „hausgemacht“ und ist ein starkes Signal für traditionelle Zubereitung. Ein weiterer Hinweis ist „a la leña“, was „über Holzfeuer gekocht“ bedeutet – eine traditionelle Methode, die einen unverwechselbaren rauchigen Geschmack verleiht. Gerichte, die mit „Olla de…“ beginnen, deuten auf einen klassischen Eintopf hin, das Herzstück vieler Familienessen.

Atmosphäre eines traditionellen Soda-Restaurants in Costa Rica, in der eine Köchin Essen anrichtet.

Moderne Fusion-Restaurants hingegen verwenden oft englische Beschreibungen, experimentieren mit Zutaten wie Mango-Salsa auf Fisch, der traditionell nicht damit serviert wird, oder bieten „Gallo Pinto Bowls“ mit Avocado und Quinoa an. Das ist nicht per se schlecht, aber es ist eine Interpretation, keine Dokumentation der traditionellen Küche. Echte Sodas bieten fast immer die Klassiker an, da sie Teil des kulinarischen Kanons sind.

Ihr Plan zur Identifizierung authentischer Gerichte: Eine Checkliste

  1. Suchen Sie nach dem Wort ‚Casero‘ (hausgemacht) auf der Karte als stärksten Indikator für Tradition.
  2. Achten Sie auf die Zubereitungsart ‚A la leña‘ (über Holzfeuer gekocht), die auf eine traditionelle Methode hinweist.
  3. Identifizieren Sie Gerichte mit der Bezeichnung ‚Olla de‘ (Eintopf von…), ein Klassiker der Hausmannskost.
  4. Fragen Sie nach der ‚Receta de la abuela‘ (Omas Rezept), um die Verbindung zur Familientradition zu erkennen.
  5. Prüfen Sie die Präsenz in ‚Sodas‘: Traditionelle Gerichte sind hier fast immer Standard und ein Zeichen für Authentizität.

Welche traditionellen Gerichte in welchen Monaten durch saisonale Zutaten am besten schmecken?

Die tiefe Verbindung der costa-ricanischen Küche zur Natur zeigt sich am deutlichsten in ihrer Saisonalität. Anders als in globalisierten Supermärkten bestimmt hier der Rhythmus von Regen- und Trockenzeit, was auf den Tisch kommt. Für den bewussten Genießer bedeutet das, dass bestimmte Gerichte zu bestimmten Jahreszeiten ihren absoluten geschmacklichen Höhepunkt erreichen. Die Kenntnis dieses kulinarischen Kalenders verwandelt eine Mahlzeit von einem einfachen Essen in ein zeitlich perfektes kulturelles Ereignis.

Im Dezember erreicht die Tamal-Tradition ihren Höhepunkt. Familien kommen zusammen, um Hunderte dieser in Bananenblätter gewickelten Maistaschen für die Weihnachtsfeiertage vorzubereiten. Ein frischer, im Dezember zubereiteter Tamal mit Reis, Bohnen und Fleisch ist unvergleichlich. Im September und Oktober, während der Erntezeit der Pejibaye, ist die „Sopa de Pejibaye“, eine cremige Suppe aus der Pfirsichpalmenfrucht, ein absolutes Muss. Ihr nussig-süßlicher Geschmack ist zu dieser Zeit am intensivsten.

Die Osterwoche („Semana Santa“) im März oder April hat ihre eigenen kulinarischen Rituale. Da traditionell kein rotes Fleisch gegessen wird, dominieren Gerichte mit Trockenfisch und dem speziellen Chiverre-Kürbis, aus dem eine süße, faserige Marmelade („miel de chiverre“) hergestellt wird. In der Trockenzeit, insbesondere im Januar und Februar, ist die endemische Cas-Guave reif. Ein frisch gepresster „Fresco de Cas“ ist dann der Inbegriff von Erfrischung. Während der Regenzeit wiederum explodiert das Angebot an Passionsfrüchten (Maracuyá), deren säuerlich-süße Noten in Getränken und Desserts brillieren.

Die folgende Tabelle, basierend auf den Erntezyklen und kulinarischen Traditionen, wie sie unter anderem von lokalen Kochexperten dokumentiert werden, dient als praktischer Leitfaden für den saisonalen Genuss.

Kulinarischer Saisonkalender Costa Rica
Monat Saisonales Gericht Besondere Zutat
September/Oktober Sopa de Pejibaye Frische Pfirsichpalmenfrucht
Dezember Tamales Reis, Bohnen auf Bananenblatt
März/April (Ostern) Gerichte mit Chiverre Kürbis und Trockenfisch
Januar/Februar Cas-Saft Endemische Guave
Regenzeit Maracuyá-Getränke Passionsfrucht

Wie unterscheiden sich hispanische und afrokaribische Kultur Costa Ricas in 5 Alltagsbereichen?

Der kulturelle Dualismus zwischen der hispanisch geprägten Mehrheitsgesellschaft im Zentraltal und der afrokaribischen Kultur an der Atlantikküste manifestiert sich in vielen Aspekten des Alltags. Während Sprache (Spanisch vs. Patois), Musik (Cumbia vs. Calypso) und Religion offensichtliche Unterschiede sind, ist es die Esskultur, die diese Trennung am greifbarsten macht. Der Sonntagstisch wird hier zum Schauplatz zweier verschiedener Welten, die die jeweiligen Werte und Traditionen widerspiegeln.

Im hispanischen Zentraltal ist der Sonntag oft dem „Olla de Carne“ gewidmet. Dieser Rindfleischeintopf ist ein direktes Erbe der spanischen Kolonialzeit und des spanischen „Cocido“. Es handelt sich um ein Gericht, das stundenlang köchelt und die ganze Familie am Tisch versammelt. Mageres Rindfleisch wird mit einer Fülle von einheimischem Gemüse und Wurzeln wie Yucca, Chayote, Mais und Kartoffeln gekocht. Es ist ein Gericht der gemeinschaftlichen, aber familienzentrierten Nahrungsaufnahme, das von europäischen Kochtechniken geprägt ist.

An der afrokaribischen Küste sieht der Sonntag kulinarisch völlig anders aus. Hier ist das zentrale Gericht oft „Rice and Beans“ mit Hühnchen, das in einer würzigen Kokosmilchsauce zubereitet wird. Anders als der nach innen gerichtete Familientopf „Olla de Carne“ ist die Zubereitung von „Rice and Beans“ oft ein gemeinschaftliches Ereignis, das die ganze Nachbarschaft miteinbezieht. Die Aromen sind nicht mild und erdig, sondern kräftig, süß und würzig, ein klares Erbe der jamaikanischen Küche. Es ist ein Ausdruck von Resilienz und kultureller Eigenständigkeit, oft begleitet von lauter Musik und einer offenen, einladenden Atmosphäre.

Fallbeispiel: Der Sonntagstisch als kultureller Spiegel

Im Zentraltal repräsentiert der Olla de Carne die hispanische Tradition: Ein Rindereintopf, der mit europäischen Kochtechniken zubereitet wird und stundenlang aus magerem Rindfleisch und einheimischem Gemüse köchelt, um die Familie zu versammeln. An der Karibikküste hingegen steht Rice and Beans mit Hühnchen in Kokosmilch für das afrokaribische Erbe: Ein würziges Gericht, dessen Zubereitung oft ein gemeinschaftliches Ereignis für die ganze Nachbarschaft ist und die Offenheit der Kultur symbolisiert.

Bananenblatt oder Maisblatt: Welche Tamales-Umhüllung verrät die Herkunftsregion?

Der Tamal ist in ganz Lateinamerika verbreitet, doch in Costa Rica wird seine Verpackung zu einem geografischen und kulturellen Indikator. Die Wahl zwischen einem Bananenblatt (hoja de plátano) und einem Maisblatt (hoja de elote) ist keine rein praktische Entscheidung, sondern eine, die tief in Klima, Landwirtschaft und regionaler Geschichte verwurzelt ist. Für den kundigen Beobachter verrät die Hülle fast alles über den Ursprung des Tamals.

Die authentischen costa-ricanischen Tamales, wie man sie zur Weihnachtszeit findet, bestehen aus einem Maisteig, der mit Reis, Bohnen, Kartoffeln und oft auch Fleisch gefüllt ist. Diese Variante wird traditionell in ein Bananenblatt gewickelt. Das Bananenblatt ist typisch für die feuchten, tropischen Tieflandregionen der Karibik- und Pazifikküste, wo Bananenstauden im Überfluss wachsen. Das Blatt schützt nicht nur den Inhalt, sondern verleiht dem Tamal während des Dämpfens auch ein subtiles, erdig-grünes Aroma und hält ihn besonders feucht. Kulturell verbindet diese Methode Costa Rica mit den Traditionen des karibischen Beckens und des nördlichen Südamerikas.

Das Maisblatt hingegen ist die klassische Hülle im trockeneren, kühleren Zentraltal und in der Guanacaste-Provinz. Diese Regionen sind historisch das Zentrum des Maisanbaus. Ein in Maisblatt gewickelter Tamal ist oft kleiner und hat eine festere Konsistenz. Der Geschmack ist stärker auf den Mais selbst konzentriert, mit einer leicht süßlichen Note, die vom Blatt herrührt. Diese Methode steht in direkter Verbindung zur mesoamerikanischen Tradition, wie man sie in Mexiko und Guatemala findet.

Die unterschiedlichen regionalen Traditionen und ihre Merkmale, die auf Ressourcen wie dem Portal von CostaRica.org ausführlich beschrieben werden, lassen sich klar gegenüberstellen.

Bananenblatt vs. Maisblatt Tamales
Merkmal Bananenblatt Maisblatt
Region Karibik- und Pazifikküste Zentraltal und Guanacaste
Konsistenz Feucht, erdig-grünes Aroma Fester, süßlicher Maisgeschmack
Kulturverbindung Karibik und nördliches Südamerika Mesoamerikanische Tradition
Typische Füllung Oft mit Reis (Tamal mudo) Einfacher Maisteig mit Bohnen

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Einfachheit der costa-ricanischen Küche ist kein Mangel, sondern ein bewusster Ausdruck von Genügsamkeit und nationaler Identität.
  • Zutaten wie Mais, Yucca und Pejibaye sind direkte Geschmacksträger des indigenen Erbes und bilden das Fundament vieler Gerichte.
  • Die Küche spaltet sich klar in einen hispanisch-geprägten Pazifikstil (frisch, Koriander) und einen afrokaribischen Karibikstil (würzig, Kokosnuss).

Nationalgericht Gallo Pinto: Regionale Variationen eines nationalen Symbols

Kein Gericht verkörpert die Identität Costa Ricas so sehr wie Gallo Pinto, der „gefleckte Hahn“. Dieses einfache Frühstück aus Reis und Bohnen, vom Vortag übrig geblieben und erneut gebraten, ist weit mehr als eine Mahlzeit – es ist ein tägliches Ritual, ein Symbol des nationalen Stolzes und ein kulinarischer „Identitäts-Topf“. Wie die berühmte costa-ricanische Köchin und Autorin Isabel Campabadal es formulierte: „If any one dish defines Costa Rican cuisine, it is gallo pinto.“

Die Basis ist überall gleich: Reis und Bohnen. Doch die Seele des Gerichts liegt in den regionalen Variationen. Im Zentraltal werden schwarze Bohnen verwendet, die dem Reis eine dunklere Farbe verleihen. Das Ganze wird mit fein gehackten Zwiebeln, Paprika und Koriander verfeinert. Der entscheidende Geschmacksgeber ist jedoch die Salsa Lizano, eine leicht süßliche, würzige Sauce, die dem Gericht seine unverwechselbare Note verleiht. An der Karibikküste hingegen werden rote Bohnen und Kokosmilch verwendet, was dem Gallo Pinto eine cremigere Textur und eine völlig andere, süßlich-würzige Geschmacksrichtung gibt.

Die immense kulturelle Bedeutung des Gallo Pinto zeigt sich am besten im sogenannten „Gallo-Pinto-Krieg“ mit dem Nachbarland Nicaragua, das ebenfalls Anspruch auf die Erfindung des Gerichts erhebt. Dieser freundschaftliche Wettstreit führte zu spektakulären öffentlichen Kochaktionen.

Fallbeispiel: Der „Gallo-Pinto-Krieg“ als Ausdruck nationaler Identität

Im Jahr 2003 kochte Costa Rica eine riesige Menge von fast 1000 Pfund Gallo Pinto, um einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde zu sichern und den nationalen Anspruch auf das Gericht zu zementieren. Nicaragua, der ewige Rivale in dieser Frage, konterte prompt mit einer noch größeren Portion von 1200 Pfund. Diese humorvollen Wettkämpfe entwickelten sich zum jährlichen „Gallo Pinto Day“ und zeigen eindrücklich, dass es bei diesem Gericht um weit mehr als nur ums Essen geht – es geht um nationale Ehre und Identität.

Gallo Pinto ist das perfekte Beispiel dafür, wie ein einfaches Resteessen zum komplexesten Symbol einer Nation werden kann. Es repräsentiert die Werte der Genügsamkeit, den Zusammenhalt der Familie und den Stolz auf die eigene Kultur in jedem einzelnen Bissen.

Um die kulinarische Seele Costa Ricas wirklich zu verstehen, ist es essenziell, die symbolische Bedeutung und die regionalen Nuancen dieses Nationalgerichts zu kennen.

Nachdem Sie nun die historischen Schichten, regionalen Unterschiede und kulturellen Symbole der costa-ricanischen Küche kennengelernt haben, sind Sie mehr als nur ein Tourist – Sie sind ein kulinarischer Entdecker. Betrachten Sie bei Ihrer nächsten Reise jedes Gericht nicht als bloße Mahlzeit, sondern als ein lebendiges Geschichtsbuch, das darauf wartet, von Ihnen gelesen zu werden. Beginnen Sie Ihre nächste kulinarische Analyse, indem Sie in einer lokalen Soda gezielt nach den hier beschriebenen traditionellen Merkmalen fragen.

Geschrieben von Claudia Bauer, Claudia Bauer ist ausgebildete Köchin (IHK) und Kulinaranthropologin (M.A.), seit 14 Jahren auf lateinamerikanische Esskultur spezialisiert. Sie leitet kulinarische Forschungsreisen, dokumentiert traditionelle Rezepte in ländlichen Gemeinden Costa Ricas und gibt Kochworkshops, die kulturelle Kontexte von Gerichten vermitteln.