Veröffentlicht am März 11, 2024

Die meisten sogenannten „Öko-Lodges“ in Costa Rica sind es nicht – wahre Nachhaltigkeit ist fast immer unsichtbar und erfordert eine prüfende Haltung, die über oberflächliche Merkmale hinausgeht.

  • Zertifikate wie CST sind entscheidend, aber nur ein Bruchteil der Unterkünfte besitzt eine hohe Einstufung.
  • Fokussieren Sie sich auf unsichtbare Maßnahmen wie Abwassermanagement und lokale Wertschöpfung statt auf Bambus-Deko.

Empfehlung: Nutzen Sie die in diesem Artikel vorgestellte Checkliste, um vor der Buchung gezielte, unbequeme Fragen zu stellen und echtes Engagement von reiner Fassade zu trennen.

Costa Rica. Das Bild ist klar: unberührter Regenwald, exotische Tiere und das Versprechen eines Tourismus im Einklang mit der Natur. Als Öko-Pionier hat das Land einen Ruf zu verteidigen. Doch im Dschungel der Marketing-Begriffe wie „grün“, „öko“ und „nachhaltig“ verliert sich schnell die Orientierung. Viele Reisende glauben, mit der Wahl einer Lodge, die auf Plastikstrohhalme verzichtet und Handtücher nicht täglich wechselt, bereits einen Beitrag zu leisten. Dies sind die sichtbaren, leicht kommunizierbaren Gesten, die oft die Oberfläche dessen kratzen, was echte Nachhaltigkeit ausmacht.

Das Problem ist, dass diese oberflächlichen Maßnahmen zu einer gefährlichen Selbstzufriedenheit führen können. Man bucht eine „Öko-Lodge“ und fühlt sich gut, ohne die tieferen, systemischen Auswirkungen der eigenen Reiseentscheidung zu hinterfragen. Doch was, wenn die wahre Nachhaltigkeit nicht in der Bambus-Architektur oder den Solarpanels auf dem Dach liegt, sondern in den unsichtbaren Systemen dahinter? Was ist mit der Abwasseraufbereitung, der Herkunft der Lebensmittel, dem Lohnniveau der Angestellten und dem tatsächlichen wirtschaftlichen Nutzen für die umliegende Dorfgemeinschaft? Genau hier trennt sich die Spreu vom Weizen – oder besser gesagt, echtes Engagement von geschicktem Greenwashing.

Dieser Artikel bricht mit den gängigen Platitüden. Stattdessen nehmen wir die Perspektive einer Zertifizierungs-Expertin ein und geben Ihnen ein forensisches Prüfsystem an die Hand. Wir werden die wichtigsten Zertifikate entschlüsseln, den Mythos der rein sichtbaren Öko-Maßnahmen entlarven und Ihnen zeigen, wie Sie durch gezielte Fragen und Beobachtungen sicherstellen, dass Ihr Geld tatsächlich den Schutz der Natur und die Stärkung lokaler Gemeinschaften fördert.

Um Ihnen eine klare Orientierung zu geben, haben wir diesen Leitfaden strukturiert. Er führt Sie von der kritischen Analyse der Zertifizierungslandschaft über die Bewertung unsichtbarer Nachhaltigkeitsfaktoren bis hin zu konkreten Handlungsempfehlungen für eine Reise, die ihren Namen als „sanfter Tourismus“ wirklich verdient.

Wie viele selbsternannte Öko-Lodges erfüllen wirklich CST-Nachhaltigkeitskriterien?

Die Diskrepanz zwischen Selbstwahrnehmung und zertifizierter Realität ist ernüchternd. Während sich tausende Hotels und Lodges in Costa Rica mit dem Prädikat „ökologisch“ schmücken, ist die Zahl derer, die sich einem strengen, unabhängigen Prüfverfahren unterziehen, verschwindend gering. Das wichtigste nationale Siegel, die CST-Zertifizierung (Certification for Sustainable Tourism), wurde nur an einen Bruchteil der Betriebe vergeben. Laut offiziellen Angaben des Global Sustainable Tourism Council sind es gerade einmal mehr als 400 Tourismusunternehmen, die diesen anspruchsvollen Standard erfüllen und somit eine verifizierbare Nachhaltigkeitsleistung nachweisen können.

Diese Zahl allein ist bereits ein Weckruf für jeden anspruchsvollen Reisenden. Sie bedeutet, dass die überwältigende Mehrheit der Unterkünfte ohne eine validierte Zertifizierung operiert. Noch aufschlussreicher ist die Tatsache, dass selbst innerhalb der zertifizierten Betriebe nur eine Handvoll die höchste Auszeichnung (Stufe 5) erreicht. Dies deutet auf ein Phänomen hin, das als „Greenhushing“ bekannt ist: Einige wirklich engagierte, oft familiengeführte Betriebe investieren lieber in substanzielle Maßnahmen als in teure Marketingkampagnen und sprechen daher kaum über ihre Erfolge.

Im Gegensatz dazu steht das laute Greenwashing vieler Akteure, die mit geringem Aufwand maximale Werbewirkung erzielen wollen. Die geringe Anzahl an Top-Zertifizierungen zeigt, wie anspruchsvoll ein ganzheitlicher Nachhaltigkeitsansatz ist. Er erfordert eine tiefgreifende „ökologische Metamorphose“, bei der traditionell schädliche Praktiken konsequent durch regenerative Prozesse ersetzt werden – ein Weg, den bisher nur die engagiertesten Pioniere bis zum Ende gegangen sind.

CST, Rainforest Alliance oder Bandera Azul: Welches Zertifikat garantiert was?

Nicht jedes Siegel ist gleich. Um Greenwashing zu durchschauen, müssen Sie die Schwerpunkte und die Strenge der verschiedenen Zertifikate verstehen. Man kann sie als eine Art „Zertifizierungs-Matrix“ betrachten, bei der jede Zertifizierung einen anderen Bereich der Nachhaltigkeit abdeckt. Ein Hotel kann ein Siegel für saubere Strände haben, aber gleichzeitig miserable Arbeitsbedingungen bieten. Die drei prominentesten Labels in Costa Rica sind CST, Rainforest Alliance und Bandera Azul Ecológica.

Das mit Abstand umfassendste und aussagekräftigste Siegel ist das staatlich geförderte CST (Certification for Sustainable Tourism). Es bewertet Betriebe ganzheitlich in vier Bereichen: physisch-biologische Parameter (Umgang mit Natur), Infrastruktur und Dienstleistungen (z. B. Energie- und Wassermanagement), externe Kunden (Marketing und Transparenz) und sozioökonomisches Umfeld (Nutzen für die lokale Gemeinschaft). Die Bewertung erfolgt in fünf Stufen, symbolisiert durch Blätter, was eine differenzierte Einschätzung ermöglicht.

Dieser ganzheitliche Ansatz unterscheidet CST von anderen, spezialisierteren Siegeln. Die Rainforest Alliance konzentriert sich primär auf den Schutz von Biodiversität und natürlichen Ressourcen, während die Bandera Azul Ecológica (Blaue Flagge) ursprünglich für die Wasserqualität an Stränden konzipiert wurde und heute auch andere Bereiche abdeckt. Sie sind wertvolle Indikatoren, aber CST bleibt der Goldstandard für eine umfassende Nachhaltigkeitsbewertung einer Unterkunft.

Die folgende Tabelle gibt Ihnen einen schnellen Überblick über die Kernunterschiede und hilft Ihnen bei der Einordnung der verschiedenen Labels, die Ihnen auf Ihrer Reise begegnen werden.

Vergleich der wichtigsten Nachhaltigkeitszertifikate in Costa Rica
Zertifikat Schwerpunkt Bewertungssystem Kosten/Hürden
CST Umwelt, Soziales, Wirtschaft 5 Stufen (Blätter) Freiwillig, staatlich gefördert
Rainforest Alliance Primär Umweltschutz Ja/Nein Zertifizierung Kostenpflichtige Audits
Bandera Azul Strände, Wasserqualität Blaue Flagge Jährliche Bewertung
Detailaufnahme der CST-Zertifizierungsplakette mit fünf Blättern

Die visuelle Darstellung der fünf Blätter auf einer CST-Plakette ist mehr als nur Dekoration; sie ist ein direktes Zeugnis für das erreichte Niveau des Engagements. Eine Lodge mit nur einem oder zwei Blättern ist auf dem Weg, während eine mit fünf Blättern zur absoluten Elite gehört.

5-Sterne-Öko-Resort oder einfache Dorfunterkunft: Welche hat besseren Fußabdruck?

Die Frage nach dem besseren ökologischen Fußabdruck ist komplexer, als es scheint. Ein luxuriöses 5-Sterne-Resort kann mit einer hochmodernen Solaranlage und einer eigenen Kläranlage werben, aber durch seinen hohen Ressourcenverbrauch (Klimaanlagen, Pools, importierte Lebensmittel) dennoch eine negative Bilanz aufweisen. Eine einfache, familiengeführte Unterkunft in einem Dorf mag auf den ersten Blick weniger „öko“ wirken, lebt aber oft eine Form der Nachhaltigkeit, die tiefer in der lokalen Kultur und Ökonomie verwurzelt ist.

Der entscheidende Faktor ist nicht die sichtbare Technik, sondern die Integration in die lokale Gemeinschaft. Profitieren die Menschen im Dorf von der Unterkunft? Werden lokale Bauern und Handwerker unterstützt? Oder fließt das Geld an einen internationalen Konzern? Eine authentische Öko-Lodge ist ein Motor für die lokale Entwicklung und nicht nur eine isolierte Oase für Touristen. Sie schafft Anreize für die lokale Bevölkerung, die Natur zu schützen, weil sie direkt davon profitiert.

Genau diesen Punkt betont auch Barry Roberts, der Direktor des CST-Zertifizierungsprogramms. Seine Vision geht weit über rein ökologische Aspekte hinaus. Wie er in einem Interview erklärte:

Die Anrainer der ökologischen Einrichtungen werden motiviert, aktiv durch eigene Ideen, durch Weiterbildung und Projekte die ökologische Zukunft des Landes mitzugestalten.

– Barry Roberts, Direktor des CST-Zertifizierungsprogramms

Diese Aussage entlarvt den wahren Kern: Echte Nachhaltigkeit ist partizipativ. Sie ermächtigt Menschen, statt sie nur zu beschäftigen. Eine einfache Unterkunft, die ihre Lebensmittel vom Nachbarn kauft, einen lokalen Guide für Touren engagiert und in die Dorfschule investiert, kann einen weitaus positiveren sozialen und ökologischen Fußabdruck haben als ein Luxusresort, das alles importiert und seine Gewinne ins Ausland transferiert. Der wahre ökologische Fußabdruck ist somit eine Summe aus ökologischen und sozioökonomischen Faktoren.

Der Fehler: Sichtbare Öko-Maßnahmen für wichtiger als unsichtbare zu halten

Der größte Denkfehler bei der Bewertung von Nachhaltigkeit ist die Fixierung auf das, was man sehen kann. Ein Bambus-Badezimmer, wiederverwendbare Wasserflaschen und Schilder, die zum Wassersparen aufrufen, sind positiv, aber sie sind auch die am einfachsten umzusetzenden und werbewirksamsten Maßnahmen. Sie können ein Indikator für ein beginnendes Bewusstsein sein, aber sie können genauso gut eine bewusste Ablenkung von viel größeren Versäumnissen darstellen – eine klassische Greenwashing-Taktik.

Die wirklich entscheidenden Faktoren der Nachhaltigkeit sind oft technisch, komplex und für den Gast unsichtbar. Wir nennen dies das Prinzip der „unsichtbaren Nachhaltigkeit“. Niemand macht ein Urlaubsfoto von einer modernen Drei-Kammer-Kläranlage, die das Abwasser der Lodge reinigt, bevor es wieder in den empfindlichen Kreislauf des Regenwaldes gelangt. Doch genau diese Anlage ist für das Ökosystem unendlich viel wichtiger als der Verzicht auf Plastikstrohhalme. Gleiches gilt für die Energieeffizienz der Gebäude, die faire Bezahlung der Angestellten oder die Unterstützung lokaler Wiederaufforstungsprojekte.

Natürliches Pflanzenkläranlage-System einer Öko-Lodge im Regenwald

Um diese unsichtbaren Aspekte aufzudecken, müssen Sie vom passiven Konsumenten zum aktiven Prüfer werden. Stellen Sie gezielte, unbequeme Fragen. Ein Betrieb, der stolz auf seine Nachhaltigkeit ist, wird Ihnen gerne und detailliert antworten. Ein Betrieb, der nur eine Fassade aufrechterhält, wird ausweichen oder nur vage Phrasen dreschen. Die folgenden Fragen dienen Ihnen als forensisches Werkzeug, um die Tiefe des Engagements zu prüfen.

Ihre Checkliste für die forensische Prüfung: 5 kritische Fragen

  1. Abwassermanagement: Wie genau wird Ihr Abwasser geklärt und aufbereitet, bevor es in die Umwelt gelangt?
  2. Lokale Beschäftigung: Welcher Prozentsatz Ihrer Mitarbeiter stammt aus der direkten Umgebung (weniger als 10 km Umkreis) und in welchen Positionen sind sie tätig?
  3. Energiekonzept: Nutzen Sie erneuerbare Energien? Falls ja, welchen Anteil am Gesamtverbrauch decken diese ab und welche Maßnahmen zur Energieeffizienz gibt es?
  4. Lieferkette: Woher beziehen Sie den Großteil Ihrer Lebensmittel für das Restaurant? Können Sie konkrete lokale Produzenten nennen?
  5. Gemeinschaftsprojekte: Welche spezifischen Projekte in der lokalen Gemeinde (Schulen, Gesundheitswesen, Infrastruktur) unterstützen Sie nachweislich finanziell oder materiell?

Welche 6 Öko-Lodges haben CST Level 4-5 und in welchen Naturregionen liegen sie?

Während die genaue Liste der Top-zertifizierten Lodges variieren kann, ist die Zahl der Betriebe, die das höchste CST-Level 5 (oder die neue „Elite“-Kategorie) erreichen, konstant klein. Es sind oft Pioniere, die seit Jahrzehnten Nachhaltigkeit als Kern ihrer Identität leben und nicht erst auf einen Trend aufgesprungen sind. Diese Lodges sind über das ganze Land verteilt und oft in den artenreichsten, aber auch fragilsten Ökosystemen zu finden, wo ihr Engagement den größten Unterschied macht.

Ein herausragendes Beispiel, das regelmäßig die höchste Auszeichnung erhält, ist die Playa Nicuesa Rainforest Lodge in der abgelegenen Osa-Region am Golfo Dulce. Diese Lodge wurde vom Tourismusministerium Costa Ricas mit der höchsten Bewertung „Elite“ ausgezeichnet. Sie ist ein Paradebeispiel für „unsichtbare Nachhaltigkeit“: Das umweltfreundliche Design nutzt natürliche Belüftung statt Klimaanlagen, der Strom wird durch eine eigene Wasserturbine und Solarpanels erzeugt und 98% der Mitarbeiter stammen aus der Region. Die Lodge ist nur per Boot erreichbar, was ihren ökologischen Fußabdruck weiter minimiert und ein tiefes Eintauchen in die Natur erzwingt.

Andere hoch bewertete Lodges finden sich oft in Regionen wie:

  • Tortuguero: Ein Labyrinth aus Wasserwegen, wo der Schutz von Meeresschildkröten und die Minimierung von Wasserverschmutzung im Fokus stehen.
  • Monteverde: Die Nebelwaldregion, wo Lodges oft in private Schutzgebiete integriert sind und sich auf Forschung und Bildung konzentrieren.
  • Südliche Karibikküste (z.B. bei Manzanillo): Eine Region mit starker afro-karibischer Kultur, wo soziale Nachhaltigkeit und die Einbindung der Gemeinschaft eine große Rolle spielen.
  • Talamanca-Gebirge: Heimat indigener Gemeinschaften, wo ethischer Tourismus in Zusammenarbeit mit den Ureinwohnern praktiziert wird.

Die Tatsache, dass laut einigen Berichten weniger als 10 Lodges überhaupt Level 5 erreicht haben, unterstreicht die Exklusivität und das außergewöhnliche Engagement dieser Betriebe. Anstatt nach einer festen Liste zu suchen, ist es ratsamer, die CST-Website zu konsultieren und gezielt nach Betrieben mit Level 4 oder 5 in Ihrer Wunschregion zu filtern.

Warum kleine Dörfer in Costa Rica oft nachhaltiger leben als die progressive Hauptstadt?

Nachhaltigkeit ist nicht nur eine Frage von Technologie und Zertifikaten, sondern auch eine tief verwurzelte kulturelle Praxis. Während die Hauptstadt San José mit modernen Initiativen vorangeht, findet man die authentischste Form der Nachhaltigkeit oft in den kleinen Dörfern auf dem Land (im „Campo“). Hier ist ein ressourcenschonender Lebensstil keine bewusste Entscheidung, sondern eine über Generationen gewachsene Notwendigkeit und Selbstverständlichkeit.

In diesen ländlichen Gemeinschaften ist die lokale Ökonomie ein geschlossener Kreislauf. Man kauft das Gemüse vom Nachbarn, der Käse kommt von der Finca am Dorfrand und das Leben spielt sich draußen ab, was den Energieverbrauch in den Häusern minimiert. Es ist eine Form der gelebten Nachhaltigkeit, die ohne Zertifikate auskommt. Ein gutes Beispiel ist die Region um Turrialba, wo eine Familie bereits 1988 mit dem Obstanbau begann und 2009 komplett auf biologische Produktion umstellte – lange bevor Bio zum globalen Trend wurde.

Dieses Alltagsleben wurde treffend in einer Reportage der Neuen Zürcher Zeitung beschrieben, die das Wesen des ländlichen Costa Ricas einfängt:

Das Leben findet draussen statt, auf den Schaukelstühlen vor den Häusern, auf dem Fussballplatz im Dorfzentrum, bei den Märkten am Strassenrand.

– NZZ Reisereporter, Neue Zürcher Zeitung

Diese Beobachtung offenbart einen wichtigen Aspekt: Der soziale Zusammenhalt und die gemeinschaftliche Nutzung des öffentlichen Raums sind an sich schon nachhaltige Praktiken. Sie reduzieren den Bedarf an individuellem Konsum und schaffen eine widerstandsfähige soziale Struktur. Ein Aufenthalt in einer solchen Gemeinschaft, zum Beispiel in einer kleinen, familiengeführten Unterkunft, bietet daher oft eine tiefere und authentischere Nachhaltigkeitserfahrung als der Aufenthalt in einem anonymen, wenn auch zertifizierten, größeren Hotel.

Wie stellen Sie durch 6 Auswahlkriterien sicher, dass Gemeinschaften wirklich profitieren?

Die Unterstützung der lokalen Gemeinschaft ist der vielleicht wichtigste, aber am schwierigsten zu messende Aspekt des sanften Tourismus. Ein Hotel, das stolz verkündet, „Arbeitsplätze zu schaffen“, betreibt möglicherweise Greenwashing, wenn es sich dabei um schlecht bezahlte Positionen im Reinigungsdienst handelt, während das Management aus dem Ausland stammt. Echte Teilhabe geht viel tiefer. Um sicherzustellen, dass Ihr Geld eine positive Wirkung entfaltet, müssen Sie Ihre „forensische Prüfung“ auf sozioökonomische Faktoren ausweiten.

Verwenden Sie die folgenden sechs Kriterien als Raster, um das Engagement einer Unterkunft für die lokale Gemeinschaft zu bewerten. Ein Betrieb, der in diesen Bereichen transparent und überzeugend agiert, leistet mit hoher Wahrscheinlichkeit einen echten Beitrag.

  • 1. Lokale Beschäftigungsquote und -qualität: Fragen Sie nicht nur, ob Einheimische angestellt sind, sondern auch, welcher Prozentsatz (ein Wert wie die 98% bei Nicuesa Lodge ist ein exzellenter Maßstab) und in welchen Positionen. Gibt es lokale Manager, Guides und Verwaltungsangestellte?
  • 2. Lokale Lieferketten: Erkundigen Sie sich, woher die Lodge ihre Lebensmittel, Baumaterialien und Einrichtungsgegenstände bezieht. Ein Bekenntnis zu „Kilometer Null“ ist ein starkes Zeichen.
  • 3. Förderung lokalen Unternehmertums: Arbeitet die Lodge mit lokalen Tour-Anbietern, Fahrern und Handwerkern zusammen oder versucht sie, alle Dienstleistungen intern anzubieten, um den Profit zu maximieren?
  • 4. Direkte finanzielle Unterstützung: Gibt es einen transparenten Mechanismus, durch den ein Teil der Einnahmen oder eine spezielle Gebühr direkt in Gemeindeprojekte fließt (z.B. Schul-, Gesundheits- oder Infrastrukturfonds)?
  • 5. Kultureller Respekt und Austausch: Werden kulturelle Traditionen als authentischer Teil des Erlebnisses respektiert und gefördert oder als folkloristische Show für Touristen inszeniert?
  • 6. Transparenz in der Kommunikation: Kommuniziert die Unterkunft offen und ehrlich über ihre Erfolge und Herausforderungen im Bereich der Nachhaltigkeit auf ihrer Website oder in Broschüren?

Diese Kriterien helfen Ihnen, über vage Versprechungen hinauszusehen und konkrete Beweise für eine tiefgreifende, partnerschaftliche Beziehung zwischen der Unterkunft und ihrer gastgebenden Gemeinschaft zu finden. Es geht darum, Betriebe zu identifizieren, die ihre Gemeinde als Partner und nicht als Ressource betrachten.

Das Wichtigste in Kürze

  • Echte Nachhaltigkeit ist oft unsichtbar; misstrauen Sie Lodges, die nur mit oberflächlichen Maßnahmen wie Bambus-Deko werben.
  • Das CST-Zertifikat ist der Goldstandard, aber nur wenige Betriebe erreichen die höchsten Stufen (Level 4-5). Prüfen Sie das Level!
  • Stellen Sie kritische Fragen zu Abwassermanagement, lokalen Lieferketten und der Beschäftigungsquote von Einheimischen, um Greenwashing zu entlarven.

Sanfter Tourismus praktizieren: Direkte Begünstigungen lokaler Gemeinschaften sicherstellen

Nachdem Sie nun mit dem Rüstzeug ausgestattet sind, um authentische Unterkünfte zu identifizieren, geht es im letzten Schritt darum, Ihr eigenes Verhalten als Reisender zu optimieren. Sanfter Tourismus bedeutet, bewusste Entscheidungen zu treffen, die sicherstellen, dass Ihr Geld möglichst direkt und ohne Umwege bei den lokalen Menschen ankommt. Dies stärkt nicht nur die lokale Wirtschaft, sondern fördert auch einen authentischen Austausch und schützt die Kultur vor den negativen Auswirkungen des Massentourismus.

Das Modell des gemeindebasierten ländlichen Tourismus ist in Costa Rica so erfolgreich, dass die entsprechende Vereinigung, ACTUAR, sogar internationale Anerkennung gefunden hat. Wie das deutsche Länder-Informations-Portal berichtet, hat die costa-ricanische Vereinigung für ländlichen Gemeinde-Tourismus ACTUAR bereits 2014 einen internationalen Wettbewerb für sozialverantwortlichen Tourismus gewonnen. Dies beweist, dass das Modell funktioniert und von Reisenden wie Ihnen aktiv unterstützt werden sollte.

Hier sind konkrete, praktische Tipps, wie Sie dieses Modell im Alltag Ihrer Reise unterstützen können:

  • Direktbuchung bei lokalen Anbietern: Buchen Sie Touren direkt bei einem lokalen Guide im Dorf, anstatt über die oft teurere und von Kommissionen geprägte Hotelrezeption.
  • Einkauf auf lokalen Märkten: Kaufen Sie Ihre Souvenirs, Snacks und Früchte auf dem lokalen Wochenmarkt („Feria“) statt im Hotelshop oder in touristischen Supermärkten.
  • Bevorzugung von „Sodas“: Essen Sie in kleinen, familiengeführten Restaurants, den sogenannten „Sodas“. Hier erleben Sie authentische Küche und Ihr Geld landet direkt bei der Familie.
  • Wahl lokaler Transportmittel: Nutzen Sie für kürzere Strecken lokale Busse oder die Dienste eines lokalen Fahrers anstelle von standardisierten Touristen-Shuttles.
  • Kauf von Kunsthandwerk bei den Herstellern: Kaufen Sie Handwerksprodukte wenn möglich direkt in der Werkstatt des Künstlers. So stellen Sie sicher, dass der volle Betrag dem Schöpfer zugutekommt.

Jede dieser kleinen Entscheidungen ist ein Akt des sanften Tourismus. Sie lenken die Geldströme weg von großen Konzernen und hin zu den Menschen, die das Reiseerlebnis erst einzigartig machen. So wird Ihre Reise nicht nur für Sie, sondern auch für Ihre Gastgeber zu einem echten Gewinn.

Beginnen Sie noch heute damit, Ihre nächste Costa-Rica-Reise nicht nur nach schönen Bildern, sondern nach diesen tiefgreifenden Kriterien der Authentizität und Nachhaltigkeit zu planen. Fordern Sie Transparenz, stellen Sie die richtigen Fragen und werden Sie Teil einer Bewegung, die den Tourismus zum Besseren verändert.

Geschrieben von Claudia Bauer, Claudia Bauer ist ausgebildete Köchin (IHK) und Kulinaranthropologin (M.A.), seit 14 Jahren auf lateinamerikanische Esskultur spezialisiert. Sie leitet kulinarische Forschungsreisen, dokumentiert traditionelle Rezepte in ländlichen Gemeinden Costa Ricas und gibt Kochworkshops, die kulturelle Kontexte von Gerichten vermitteln.